ÖVP-Chef Sebastian Kurz hat versucht, die "Operation Reißwolf" als "üblichen Vorgang" herunterzuspielen. Aktuelle Medienberichte - vor allem Veröffentlichungen des Falter - konterkarieren seine Darstellung. Zur Erinnerung: Ein Mitarbeiter im Bundeskanzleramt ließ unter falschen Namen Datenmaterial schreddern und bezahlte die Rechnung nicht. Juristisch hat die Sache insofern Konsequenzen, weil die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt, ob belastendes Material - etwa über die sogenannte Ibzia-Affäre - gelöscht wurde.
Social-Media-Chef von Kurz
Ein Video zeigt nun den Kurz-Mitarbeiter in der Firma, der sich fälschlicherweise als Walter Maisinger ausgab. Meisinger ist allerdings Arno M., der als Chef der Social-Media-Abteilung im Bundeskanzleramt fungierte. M. hat übrigens seine Profile auf Facebook und Twitter gelöscht. Die Firma Reißwolf erkannte M. in einem Video der ÖVP und erstattete wegen der offenen Rechnung Anzeige. Betont wird, dass sich M. sehr nervös verhalten habe und auch wollte, dass die - wie nun bekannt wurde nicht eine sondern fünf - Festplatten mehrmals geschreddert werden.
Sondersitzung zu Schredder-Skandal
Nicht nur in parlamentarische Anfragen wird sich die ÖVP nun erklären müssen. Auch eine Sondersitzung des Nationalrates könnte demnächst beschlossen werden. FPÖ-Sicherheitssprecher NAbg. Hans-Jörg Jenewein will jedenfalls von Kurz wissen, was nicht noch alles ans Tageslicht kommen wird. Ob das Vernichten von sensiblen Daten außer Haus und mit falschem Namen tatsächlich innerhalb der ÖVP als 'normaler Vorgang' zu werten sei, sei an dieser Stelle nur der Form halber erwähnt, viel interessanter erscheine die Argumentationskette der ÖVP angesichts der zeitlichen Abfolge. Tatsache sei nämlich, dass zum Zeitpunkt dieses 'völlig normalen Vorgangs' von einem Misstrauen gegenüber der Bundesregierung noch gar keine Rede gewesen sei. Dementsprechend sei auch das Argument, wonach man mangelndes Vertrauen in SPÖ-Beamte im BKA geltend machen würde, völlig an den Haaren herbeigezogen. "Warum also spaziert ein Kurz-Mitarbeiter mit drei Festplatten zu einer Privatfirma und lässt diese unter falschem Namen vernichten, wenn er die Datenvernichtung ganz einfach im eigenen Haus auch erledigen könnte? Hier stinkt es gewaltig", betonte Jenewein.
Außerdem stelle sich die Frage, wie es dazu kommen könne, dass ein Mitarbeiter des Kabinetts des damaligen Bundeskanzlers bei einer Privatfirma Bundeseigentum vernichte beziehungsweise, ob und von wem diese Schredder-Aktion offiziell beauftragt worden sei, so Jenewein.
ÖVP nimmt nicht Stellung
Die ÖVP hat zu den aktuellen Entwicklungen nicht Stellung bezogen. Ihr Generalsekretär Karl Nehammer beschäftigt derzeit eine Internetseite, die angeblich Unwahrheiten über Sebastian Kurz verbreiten würde und wundert sich darüber, dass ein entsprechender Artikel von HC Strache geteilt wurde.
Eidesstattliche Erklärung von ÖVP zu Ibiza-Video
Die Aufforderung an die FPÖ eidesstattlich zu erklären, dass sie nicht hinter dieser Seite stecke, wusste FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky zu kontern: "Immer, wenn es - wie etwa im Fall der dubiosen 'Schredder-Causa' - handfeste Vorwürfe gegen die Kurz-ÖVP gibt, fällt dem Team von Sebastian Kurz nichts anderes ein, als wild um sich zu schlagen und andere Parteien anzupatzen. Diese Methode ist mittlerweile mehr als durchschaubar. Die FPÖ ist jedenfalls gerne bereit, eine eidesstattliche Erklärung abzugeben, nicht hinter der von ÖVP-Generalsekretär Nehammer genannten Website zu stehen. Gleichzeitig erwarten wir uns aber auch von der ÖVP-Spitze eine solche eidesstattliche Erklärung, im Vorfeld nichts vom Ibiza-Video gewusst oder in die Wege geleitet zu haben"