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20. September 2024 | Asyl, Aussenpolitik, Europäische Union

„Brüssel hat dem Schutz seiner Außengrenzen den Krieg erklärt“

Der ungarische Kanzleramtsminister Gergely Gulyás erläutert im NFZ-Interview die Umsetzung des Asylrechts in Ungarn.

Ungarns Kanzleramtsminister Gergely Gulyás.

Foto: NFZ

Gulyás übt dabei scharfe Kritik an der Europäischen Union, die Ungarns Erfüllung nationalen und internationalen Rechts nicht anerkennt. Deshalb werde Ungarn jetzt „Asylwerbern nach Brüsseler Auslegung“ Gratis-Busfahrten nach Brüssel anbieten.

Wer kann wo um Asyl in Ungarn ansuchen?

Gulyás: Ungarn betrachtet den Schutz seiner Südgrenze, die auch eine Schengen-Außengrenze ist, als seine wichtigste Verpflichtung. Der Schutz der Außengrenzen ist nur dann sinnvoll, wenn nur echte Flüchtlinge nach Europa einreisen dürfen. Der Anspruch, ein Flüchtling zu sein, ist an sich aber noch keine Eintrittskarte nach Ungarn oder Europa. Deshalb hat Ungarn nach 2015 das System der Transitzone erfunden und verwendet: Jeder, der den Flüchtlingsstatus beantragt, wird an der Grenze betreut, darf aber erst dann nach Ungarn einreisen, wenn ihm der Flüchtlingsstatus rechtskräftig zuerkannt worden ist. In dieser Zeit wurden tausende von Asylanträgen an der Grenze gestellt, aber nur ein paar Prozent führten zum tatsächlichen Flüchtlingsstatus. Brüssel erklärte jetzt jedoch dem Schutz der Außengrenzen den Krieg, indem es Ungarn verklagt hat, und der Gerichtshof der Europäischen Union in Luxemburg erklärte diese Praxis für unrechtmäßig, obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg entschieden hat, dass die ungarische Praxis rechtmäßig ist. Wir haben daraufhin das Gesetz geändert, und da Serbien ein EU-Beitrittskandidat und ein sicheres Land ist, ist es jetzt möglich, an der Botschaft in Belgrad Asyl zu beantragen. Die Europäische Kommission hat auch das angefochten, und der EU-Gerichtshof entschied erneut gegen den Schutz der Außengrenzen und für die Massenmigration und verurteilte Ungarn zu einer Geldstrafe in Höhe von 200 Millionen Euro und zur Zahlung von einer Million Euro pro Tag, bis dieses Urteil vollstreckt wird. Aber Ungarn will weder Bußgelder zahlen noch Migranten auf seinem Landesgebiet sehen. Wenn Brüssel also den Schutz der Außengrenzen sanktioniert, einen Pull-Faktor schaffen und Migranten in Europa haben will, dann sollte es sich selbst um sie kümmern. Deshalb sind wir bereit, auf freiwilliger Basis und kostenlos One Way Tickets für alle Migranten bereitzustellen, die wegen Brüssel aufgenommen werden müssen.

Wie sieht der ungarische Grenzschutz an der EU-Außengrenze bzw. an der Grenze zu den östlichen EU-Nachbarländern aus?

Gulyás: Wir haben ein gemeinsames Interesse mit Österreich am Schutz der EU-Außengrenze. Wir bedauern daher, dass die österreichische Regierung in Brüssel Ungarn in seinem Kampf dafür nicht unterstützt. Würde Ungarn seine Grenzen nicht vorbildlich schützen, würden hunderttausende Migranten nach Österreich strömen. Das ist für Brüssel in Ordnung, aber wir glauben, dass es gegen die Interessen Wiens ist.

Wie viele Asylanträge gab es in Ungarn bisher 2024?

Gulyás: Seit dem Krieg in der Ukraine haben wir zehntausenden Ukrainern den Flüchtlingsstatus zuerkannt, von denen aus anderen Kontinenten sind höchstens ein paar Dutzend echte Flüchtlinge. Denn nach ungarischem wie internationalem Recht haben diejenigen, die in ihrem eigenen Land verfolgt werden, Anspruch auf Asyl im ersten sicheren Land. Aber das entspricht nicht den EU-Vorschriften. Ein Iraker oder ein Afghane, der über fünf oder acht sichere Länder nach Europa kommt, sucht nicht mehr Asyl, sondern ein besseres Leben. Sie haben daher keinen Anspruch auf den Flüchtlingsstatus hier, sondern im ersten sicheren Nachbarland.

Gibt es eine staatliche Unterstützung, Sozialleistungen für anerkannte Asylanten?

Gulyás: Ungarn stellt anerkannten Flüchtlingen Lebensmittel, medizinische Versorgung, vorübergehende Unterbringung, Kleidung und Hygieneeinrichtungen sicher. Aber wir sind nicht mit der Gewährung von Geldleistungen einverstanden, denn in Ungarn gibt es genügend Arbeitsplätze. Wenn jemand keine Arbeit findet, stellt der Staat Gemeinschaftsarbeit zur Verfügung, für die man bezahlt wird. Denn Integration wird ohnehin nur durch Arbeit erleichtert.

Wie hoch schätzt Budapest die Chance ein, dass es zu Friedensverhandlungen zwischen Moskau und Kiew kommt?

Gulyás: Der erste und wichtigste Schritt ist ein Waffenstillstand, der zu Friedensverhandlungen führen kann. Es ist klar, dass es in diesem Krieg keinen Gewinner gibt, aber der größte Verlierer ist Europa, das sich heute unerklärlicherweise nicht für den Frieden einsetzt, sondern die Verlängerung des Kriegs unterstützt.

Welche Vorbedingungen müssten für Friedensverhandlungen erfüllt werden?

Gulyás: Ungarn befürwortet einen sofortigen Waffenstillstand.


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