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14. Oktober 2024 | FPÖ, Innenpolitik, Wahlen

Stellungnahme von FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl

Geschätzte Vertreterinnen und Vertreter der Medien, vor allem aber liebe Österreicherinnen und Österreicher!

FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl.

Foto: FPÖ

Es ist einige Zeit ins Land gezogen, seit wir uns das letzte Mal in ungefähr dieser Konstellation, jedenfalls aber hier, getroffen haben. Es waren durchaus ereignisreiche Tage, wenn man zurückblickt. Gerade gestern, Sonntag, zum Beispiel die Landtagswahl in Vorarlberg mit einem fulminanten Plus für die Freiheitliche Partei von 14 Prozent und damit das nächste historische Ergebnis für uns in einer ganzen Reihe von historischen Ergebnissen. Was mich natürlich sehr, sehr freut, und ich möchte heute die Gelegenheit hier auch nutzen, mich ganz herzlich bei den Wählerinnen und Wählern in Vorarlberg zu bedanken für dieses große Vertrauen. Ich kann Ihnen versprechen, Sie werden Ihre Wahl nicht bereuen. Und ich möchte natürlich auch meinen Dank aussprechen. An Christoph Bitschi und sein gesamtes Team. Er hat einen hervorragenden Wahlkampf hingelegt, fehlerfrei aus meiner Sicht. Herzliche Gratulation auch von dieser Stelle aus.

Es ist so gekommen, meine Damen und Herren, wie ich es angekündigt habe. Die blaue Erfolgswelle rollt weiter, und es ist bei dieser Wahl ein Aspekt sehr interessant: Ich weiß nicht, ob sie den am Radar haben oder ob es Ihrer Aufmerksamkeit vielleicht doch entgangen ist. Ich freue mich nämlich ganz besonders darüber, dass die Freiheitliche Partei in der Zwischenzeit so was ähnliches ist wie das größte Demokratisierungsprojekt dieses Landes. Wenn Sie sich nämlich die Wahlergebnisse und die Wählerströme im Detail ansehen, dann werden Sie bemerken, dass ein ganz, ganz großer Teil der freiheitlichen Wählerschaft aus dem Segment der Nichtwähler kommt. Und das ist eine sehr, sehr erfreuliche Entwicklung, weil das zeigt, dass es uns gelungen ist, Menschen, die eigentlich schon mit der Politik in gewisser Weise abgeschlossen hatten, Menschen, die kein Vertrauen mehr zu Politikern gehabt haben, dann noch einmal dazu zu bewegen, bei der Wahl ihre Stimme abzugeben und in die Freiheitliche Partei zu investieren. Das ist also sehr, sehr erfreulich. Wir sind uns unserer Verantwortung vollkommen klar, und wir sind uns auch unserer Rolle bewusst, die uns die Wähler in Vorarlberg diesmal geschenkt haben. 

Meine Damen und Herren, ich habe gesagt, es geht so weiter, wie wir es angekündigt haben. Das betrifft jetzt die Freiheitliche Partei. Das betrifft aber auch die anderen Parteien, weil die Serienverlierer, und da spreche ich jetzt von Schwarz, Rot und Grün, die verlieren auch weiter, da hat sich also in Vorarlberg auch nichts geändert. Und sie freuen sich auch jetzt wieder über diese Wahlniederlagen, und jeder findet irgendwo einen Dreh in der Interpretation, um sich selbst trotz diesen Verlusten in Prozenten dann noch zum Wahlsieger zu machen. Ja, und die rosaroten Energiebündel, die selbsternannten, die stagnieren auch in Vorarlberg und kommen nicht vom Fleck und machen sich trotzdem zum Sieger. In gewisser Weise eine Fortsetzung des Realitätsverlusts, von dem ich schon einmal gesprochen habe. 

Sie haben also jetzt etwas länger warten müssen, ein paar Tage bis zu dieser Stellungnahme. Aber ich glaube, jetzt ist der richtige Zeitpunkt dafür gekommen. Einfach deshalb, weil wir vor einer sehr, sehr spannenden innenpolitischen Woche stehen. Und ich denke, dass es notwendig ist, dass ich ihnen und vor allem auch der österreichischen Bevölkerung jetzt etwas detaillierter und etwas genauer meine Positionen auch zum ganzen Thema der Regierungsbildung näherbringe. Wissen Sie, ich habe in den letzten Tagen und Wochen seit den Nationalratswahlen folgenden Eindruck gewonnen: nämlich dass bei der Spitze der Österreichischen Volkspartei und auch an der Spitze der Sozialdemokratie die Sicht auf das Ergebnis der letzten Nationalratswahl immer noch in gewisser Weise vernebelt oder getrübt ist, wenn man es so formulieren will. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass beide irgendwie versuchen, das Machtwort der Wähler am liebsten vom Tisch zu wischen. Einfach so zu tun, als ob da gar nichts passiert sei. Zwei Verlierer, die sich selber retten wollen, die sich irgendwie zusammenhängen wollen - husch, pfusch möchte man fast sagen, in einer Verlierer-Koalition, um sich selber zu retten, nicht um Österreich zu retten. Das ist ein ganz, ganz wesentlicher Unterschied. Ich habe den Eindruck, ich habe das Gefühl, dass Dinge wie Offenheit und Ehrlichkeit und Verantwortungsbewusstsein, also lauter Sachen, die die Menschen sich von Vertretern der Politik, insbesondere von Spitzenpolitikern erwarten, dass die gar nicht so wichtig sind für manche Handelnden jetzt in diesen letzten Tagen und Wochen, sondern dass es um ganz andere Dinge geht. Da geht es um Parteitaktik, da geht es um Spielchen, da geht es um Tricksereien im Dienste des Machterhalts, im Dienste des Machtstrebens. So nach dem Motto: Was müssen wir denn unternehmen, und was können wir anstellen, damit wir die FPÖ als klaren Wahlsieger und damit als Anwalt von mehr als 1,4 Millionen Wählern ausrutschen lassen. Wie können wir das am besten hinbekommen, und was müssen wir tun, um gleichzeitig nichts mit dieser Aktion zu tun zu haben und die Spuren quasi zu verwischen? Und ich habe den Eindruck, dass Tatsachen und manchmal sogar auch das logische Denken in gewisser Weise auf den Kopf gestellt werden, um auch nach der Wahl so weiterzumachen wie bisher, nämlich die Wähler zu täuschen.

Und ich sage das ganz bewusst. Und denken Sie nur an das Verschweigen dieser katastrophalen Schulden-Entwicklung und der wirtschaftlichen Talfahrt, die unserem Land ja bevorsteht. Alles das ist ja vor der Wahl verschwiegen worden. Und das, obwohl alle Verantwortlichen ganz genau gewusst haben, was da auf uns zukommt und dass von einem Aufschwung keine Rede sein kann und dass das Budgetdefizit noch desaströser sein wird, als es noch vor der Wahl verlautbart worden war. Aus meiner Sicht ist das im Übrigen auch eine Form der Wahlmanipulation. Aber das gehört jetzt nicht hierher. Da werde ich mich an anderer Stelle noch einmal dazu äußern. Alles das, was ich jetzt gesagt habe, ist, glaube ich, gar nicht gut für das Land, und das empfinde nicht nur ich so, Das ist kein positives Fundament, das ist kein tragfähiges Fundament für eine gute Zukunft. Das ist für mich viel mehr Ausdruck von Verantwortungslosigkeit und von politischer, und da meine ich jetzt nicht parteipolitischer, sondern staatspolitischer Unreife. Das ist das, was jetzt das Geschehen beherrscht. Und ich möchte daher ganz bewusst einen anderen Weg einschlagen. Mein Weg ist der Weg der Ehrlichkeit. Es ist der Weg des offenen Visiers, der Weg der Klarheit, der Weg der Logik und des Hausverstands und der Weg der ausgestreckten Hand im Interesse unserer Heimat. Weil für uns Freiheitliche zählt eines: Wir wollen den Wählerauftrag umsetzen. Und das heißt für uns, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Und das von der Spitze der Regierung aus mit dem klaren Ziel, der Bevölkerung fünf gute Jahre zu bringen. Und das nenne ich die Demokratie ernst nehmen, und das nenne ich staatspolitische Verantwortung übernehmen in schwierigen Zeiten. 

Meine Damen und Herren, Sie wissen, der Bundespräsident hat sich zum Thema Regierungsbildung zu Wort gemeldet. Es war am letzten Mittwoch, und er hat in seiner Erklärung nach den Gesprächen mit den Parteiobleuten von Klarheit gesprochen. Klarheit war ein zentraler Begriff. Klarheit ist das, was es jetzt braucht. Das war seine Forderung, und ich kann dem zustimmen. Aber jetzt kommt's:  Genau das wäre die Aufgabe des Bundespräsidenten gewesen. Die Klarheit, die schon jetzt in Wahrheit am Tisch liegt, letzte Woche schon festzumachen. Das wäre seine Aufgabe gewesen, indem er nämlich die Fakten anerkennt. Aber leider hat er selber keinen Beitrag in diese Richtung geleistet. Ich bedaure das sehr. Er hat etwas ganz anderes gemacht: Er hat die am Tisch liegende Wahrheit selber vernebelt, und er hat damit die Unklarheit produziert, die er jetzt selber beklagt. 

Meine Damen und Herren, ich werde Ihnen sagen, warum ich das so sehe. Ganz einfach: Das Wahlergebnis ist klar, und klar ist vielleicht sogar noch untertrieben. Es ist glasklar. Die FPÖ hat die Nationalratswahl gewonnen. Es gibt nur einen einzigen Gewinner. Und ich bin schon seit vielen, vielen Jahren in der Politik tätig. Aber ein Wahlergebnis, das so wenig Interpretations-Spielraum im Zusammenhang mit Gewinnern und Verlierern offen lässt wie dieses, hat es in diesen zwanzig Jahren noch nicht gegeben. Das ist also nicht nur klar, sondern das ist glasklar. Die ÖVP hat haushoch verloren und hat den zweiten Platz eingenommen. Und die SPÖ ist erstmals in ihrer Geschichte auf den dritten Platz durchgereicht worden als Ergebnis einer fulminanten Aufholjagd.

Bei den Vorzugsstimmen, meine sehr geehrten Damen und Herren, liege ich ganz klar vor Karl Nehammer und vor Andreas Babler. Auch das ist eindeutig. Da gibt es nichts zu interpretieren, und das kann man nicht einfach vom Tisch wischen. Auch wenn ich in den letzten Tagen ein bisserl den Eindruck gewonnen habe, dass diese Information, wie die Vorzugsstimmen ausgegangen sind, die Medien nicht sonderlich interessiert. Für Klarheit hätte der Bundespräsident also ganz einfach gesorgt, wenn er den Regierungsbildungsauftrag an die Freiheitliche Partei als stimmenstärkste Partei, den einzigen Wahlgewinner und den Anwalt von mehr als 1,4 Millionen Wählern, vergeben hätte. Und genau das habe ich in unserem letzten persönlichen Gespräch auch zum Ausdruck gebracht. Und jetzt muss ich ein bisserl aus dem Nähkästchen plaudern. Interessant war für mich im Zuge dieser Unterredung ein Aspekt. Der Bundespräsident hat im Zuge dieses Gesprächs dann schon gegen Ende dieses Gesprächs ein wenig herumgedruckst. Herumgedruckst insofern, weil er mir gegenüber gesagt hat, dass er das eigentlich überhaupt nicht versteht. Er versteht das gar nicht so richtig, warum denn er für die Regierungsbildung zuständig sein soll. Er hat es irgendwie von sich weggeschoben, und ich habe den Eindruck gehabt, da will er überhaupt gar nicht eingreifen. Finger weg! Und das ist deswegen interessant, weil er das zu einem Zeitpunkt gemacht hat, wo er erst mit mir gesprochen hat und er noch keine Meinungsbildung oder ein Ergebnis gehabt hat von Gesprächen mit Vertretern anderer Parteien. Die waren ja alle erst nach mir an der Reihe. Zumindest war das offiziell so.

Ich habe dem Bundespräsidenten damals geantwortet: „Also nicht bös' sein, aber dass sie jetzt mit der Regierungsbildung in Verbindung gebracht werden und dass das ihre Aufgabe ist, das haben sie sich auch selbst zuzuschreiben. Erstens haben sie es in der Vergangenheit selbst gesagt, und zweitens haben sie es in der Vergangenheit selber so gemacht. Deshalb ist das so. Sie haben es 2017 so gemacht und sie haben es 2019 so gemacht. Immer hat der Bundespräsident den Regierungsbildungsauftrag auf Basis des Wahlergebnisses an die stimmenstärkste Partei vergeben. Keine Diskussion vorher. Alles klar. Aber Sie können das ja alles auch in ihren Archiven entsprechend finden. Und damals hat auch keiner gewusst oder eine Garantie abgeben können, was dann am Ende herauskommt und ob diese Verhandlungen dann von Erfolg gekrönt sein werden oder eben auch nicht. Und ich weiß, wovon ich spreche, weil ich war ja 2017 selbst Teil eines Verhandlungsteams. Ja, und dann kommt noch etwas dazu: Auch die Bundespräsidenten vor Van der Bellen haben es genauso gemacht. Ganz genau so, keine Diskussion. Wie gesagt, keiner hat gewusst, keiner hat eine Garantie abgeben können, was bei einem solchen Regierungsbildungsauftrag dann am Ende herauskommt. 

Meine Damen und Herren, ich will damit sagen: Ein Regierungsbildungsauftrag an die stimmenstärkste Partei, und zwar aufgrund dieser Stimmenstärke und aufgrund von nichts anderem, das ist in Österreich eine seit Jahrzehnten geübte, ja demokratische Praxis, eine demokratische Tradition, wenn man es so formulieren will. Und das weiß der Bundespräsident natürlich auch ganz genau, und das weiß auch die Bevölkerung ganz genau. Da herrscht also auch vollkommene Klarheit. 

Und natürlich ist es so, dass ein solcher Regierungsbildungsauftrag oder ein Regierungsbildungsversuch erfolgreich sein kann, oder er kann scheitern. Ja, beide Möglichkeiten liegen da drin. So ist das eben in einer Demokratie. Deswegen heißt es ja dann auch Regierungsverhandlungen und nicht Regierungsdiktat. Da wäre dann alles klar. Aber bei Verhandlungen gibt es immer eine Möglichkeit, dass es am Ende zum Erfolg führt oder dass sie scheitern. Aber, und das ist der entscheidende Punkt, das weiß man eben erst, wenn man es versucht hat, und nicht vorher. Sie können, und das weiß jeder von Ihnen, sie können nicht schwimmen, ohne ins Wasser zu gehen. Und man kann keine Regierung bilden, ohne dass man versucht, eine Regierung zu bilden. Das ist ganz logisch. Und auch da herrscht jetzt schon Klarheit. 

Wir stehen also jetzt vor folgender Situation: Das Volk hat uns bei einer Wahl den klaren Auftrag gegeben. Alles klar? Genauso wie der Auftrag bei den letzten Wahlen durch die Bevölkerung ein klarer gewesen ist in Form der Rangordnung, die herausgekommen ist. Aber der Bundespräsident hat das, wie gesagt, diesmal leider noch nicht getan. Und damit, mit diesem Verhalten, widerspricht das Staatsoberhaupt selbst seiner eigenen Forderung nach Klarheit. Und ich wollte das nur noch einmal in dieser Deutlichkeit zum Ausdruck bringen, weil es, glaube ich, notwendig ist. 

Der Bundespräsident hat mich unmittelbar vor seiner öffentlichen Stellungnahme in einem Telefonat über seine geplante Vorgangsweise informiert. Er hat mir erklärt, im Gespräch mit ihm hätten alle anderen Parteichefs gesagt, sie wollen nicht mit der FPÖ regieren, und das sei jetzt eine ganz, ganz neue Situation. Und jetzt taucht dieses Wort Patt auf. Und dieses Patt hat es in dieser Form noch nie gegeben. Und deswegen muss er jetzt so handeln, dass er weiter Einzelgespräche führen lässt. Das passt also jetzt gut zusammen. Das, was am Ende nach den Gesprächen herausgekommen ist, ist zufälligerweise das, was er mir schon am Anfang so gesagt hat. Also Finger weg von einem Regierungsbildungsauftrag. Und ich sage Ihnen jetzt, warum das, was der Bundespräsident hier gesagt hat und der Weg, den er eingeschlagen hat, gleich aus mehreren Gründen nicht richtig und nicht logisch sind. Bitte einfach kurz mitdenken.

Warum erteilt der Bundespräsident denn überhaupt den Auftrag zu Gesprächen, wenn er im selben Atemzug sagt, dass eh keiner verhandeln will? Das ist ja nicht logisch, das ist überhaupt nicht logisch. Das ist nur dann sinnvoll, wenn er zweitens meint, dass sich in den Gesprächen dann doch vielleicht etwas bewegen kann. Dann macht ein solcher Auftrag Sinn, dass dann doch Bewegung in die Sache hineinkommen könnte. Aber wenn der Bundespräsident der Meinung ist, dass bei Gesprächen vielleicht doch Bewegung in die Sache hineinkommen kann, ja warum vergibt er dann nicht gleich einen Regierungsbildungsauftrag? Das wäre dann der nächste logische Schritt. Noch dazu, wenn er sagt: Wir haben keine Zeit zu verlieren, und es ist alles so dringend, es muss alles schnell gehen. Also wenn er davon ausgeht, dass sich etwas bewegt, dann muss er einen Regierungsbildungsauftrag erteilen. 

Wenn er umgekehrt der Überzeugung ist, dass sich nichts bewegt und dass die Spitzen der ÖVP und SPÖ sich dann irgendwo auch einzementiert haben, ja, warum gibt er dann den Regierungsbildungsauftrag nicht an einen der Wahlverlierer? Das wäre auch eine logische Ableitung aus dieser Erkenntnis, die er gewonnen hat. Dann müsste er sagen: Eigentlich freie Fahrt für diese Austro-Verlierer-Ampel. Dann sollen die versuchen, eine Koalition zustandezubringen. Das wären dann im Übrigen diejenigen, die uns diese ganze negative Suppe eingebrockt haben, unter der die Österreicher jetzt zu leiden haben und die uns noch lange beschäftigen wird?

Wer garantiert dem Bundespräsidenten eigentlich, dass Verhandlungen der Verlierer am Ende dann zu einer Einigung führen? Ich denke da nur an die innerparteilichen Grabenkämpfe vor allem in der SPÖ und an die riesengroßen Unterschiede in den Programmen der beiden Parteien. Da hat sich ja jeder davon überzeugen können in der ganzen Wahlbewegung, dass es doch kaum Schnittmengen gibt zwischen der SPÖ und ÖVP. Die beiden sind ja programmatisch unterwegs wie Tag und Nacht in einem Verhältnis zueinander. Also wer garantiert, dass das dann am Ende etwas Erfolgreiches und Stabiles herauskommt?

Bei einem Regierungsbildungsauftrag kann über Inhalte und Themen, die man gemeinsam hat, sehr viel Bewegung in eine Sache hineinkommen. Das liegt dann auch daran, dass nicht nur zwei Personen einmal miteinander reden, sondern dass mehrere Personen, nämlich Verhandlungsteams, dann über einen längeren Zeitraum miteinander reden, dass also ein Prozess in Gang gesetzt wird, dass sie miteinander sprechen, dass man beginnt, Vertrauen aufzubauen und Vertrauen zu entwickeln, eben in einem laufenden Prozess. Und in einem solchen Verfahren entsteht dann öfters trotz anfänglicher Distanz und vielleicht sogar trotz anfänglicher Gegnerschaft dann am Ende so etwas wie eine konstruktive Zusammenarbeit und ein Miteinander. Und das war auch in den Verhandlungen 2017 so, ich war ja dabei. Deswegen weiß ich, wovon ich spreche. Schritt für Schritt ist es gegangen. Über Inhalte, eine Annäherung, auch auf der persönlichen Ebene, eine Entkrampfung, nach einem durchaus heftig und intensiv geführten Wahlkampf. Alles über Inhalte, alles über gemeinsame Themen. Und dann? Am Ende hat man sich erst über Ressourcen und andere Dinge unterhalten. 

Wenn ich vorher von diesem Patt gesprochen habe, weiß der Bundespräsident wirklich nicht, dass es auch 1999 ein Patt gegeben hat. 1999 hat die SPÖ die Wahl gewonnen. Die Freiheitliche Partei hat stark zugelegt und wurde damals Zweiter. Und die ÖVP ist Dritter geworden. Und die SPÖ hat ja damals, und da hat sich bis heute nichts geändert, eine Koalition mit der FPÖ ausgeschlossen. Die Vranitzky-Doktrin war damals genauso aktuell wie heute. Und die ÖVP ihrerseits wiederum hat hoch und heilig versprochen, dass sie als Dritter in die Opposition geht. Also war aufgrund der Positionierung der Parteien im Jahr 1999 schon vor der Wahl eine Regierungsbildung de facto ausgeschlossen. Oder wie der Bundespräsident sagt: ein Patt. Und was ist passiert? Trotz dieses Patts hat der damalige Bundespräsident der SPÖ als stimmenstärkster Partei damals den Auftrag zur Regierungsbildung gegeben. Es ist also keinesfalls das erste Mal so, dass irgendwelche Fronten verhärtet sind nach einer Wahl. Und so, wie ich das beobachtet habe jetzt in den letzten Tagen und Wochen, haben das auch viele Außenstehende getan. Und manche haben zu mir gesagt: Ja, das ist doch ein abgekartetes Spiel. Das schaut so aus, wie wenn das ein abgekartetes Spiel wäre von Anfang an, und in Wahrheit ist diese Verlierer-Koalition schon längst ausgemauschelt. Das steht schon alles fest, und es traut sich nur niemand, Klartext zu reden, weil ja alle wissen, dass es dann schon zutiefst undemokratisch ist, wenn man den einzigen Wahlgewinner ausgrenzt. Und dafür will keiner die Verantwortung übernehmen. Und deswegen gibt es jetzt dieses komische Hin und Her zwischen Bundespräsident und den anderen Parteien.

Und ich habe noch etwas gesagt, ein interessanter Aspekt: Nämlich, dass der Bundespräsident und die ÖVP vielleicht eines ganz genau wissen, dass, wenn wir mit Verhandlungen beginnen, dann möglicherweise etwas dabei herauskommt. Dass, wenn wir einmal in einem Verhandlungsprozess drinnen sind, genau dieser Mechanismus, von dem ich vorher gesprochen habe, in Gang gesetzt wird. Dass es dann Stück für Stück über inhaltliche Themen, über Schwerpunkte, die man setzt, eine wachsende Vertrauensbasis gibt und dass dann am Ende möglicherweise eine Koalition entsteht. Und diejenigen, die mir das gesagt haben, haben ergänzt: Möglicherweise ist genau das nicht gewollt. Ich weiß es nicht, meine Damen und Herren. Aber wir werden in ein paar Tagen dann klarer sehen. Wir werden dann sehen, ob in der Zwischenzeit Vernunft eingekehrt ist, oder ob die Spitzen von ÖVP und SPÖ die Wählerbotschaft immer noch nicht verstanden haben und ob es dann bei den kommenden Wahlen noch stärkere Signale durch stärkere Botschaften seitens der Wähler braucht: Landtagswahl Steiermark, Gemeinderatswahlen Niederösterreich, Landtagswahl Burgenland. Da gibt es also noch einige Möglichkeiten, die Botschaft zu verstärken. 

Und jetzt, meine Damen und Herren, noch ein paar Worte zur Österreichischen Volkspartei, im Speziellen zu Ihrem Parteiobmann Karl Nehammer. Der hat ja vor ein paar Tagen eine kurze Videobotschaft und ein Aussage auf X veröffentlicht, und ich weiß nicht, ob er sich die Kommentare dort auch durchgelesen hat. Es wäre jedenfalls empfehlenswert, das zu tun, damit man ein bisschen auch einen Eindruck von der Stimmungslage draußen in der Bevölkerung bekommt. Er hat sich jedenfalls sowohl mit dieser Videobotschaft als auch mit dieser Stellungnahme weiter einzementiert. Man kann auch sagen, er hat sich noch tiefer eingegraben, als er schon vorher eingegraben war. Und er hat damit ausgerechnet die sogenannte „Cancel Culture“ zum Maßstab seiner Zugangsweise in der Frage der Regierungszusammensetzung erhoben. Also statt Diskurs und statt Kontroversen, statt Streitkultur - und das alles auf Basis demokratischer Spielregeln und thematischer Überschneidungen - soll die FPÖ "weggecancelt" werden. 

Nehammer legt bei allen seinen Aussagen einen besonderen Stellenwert auf seine Glaubwürdigkeit. Es ist ihm wichtig, darauf hinzuweisen, dass sein Wort, das er vor der Wahl gegeben hat, auch nach der Wahl noch Gültigkeit hat. Und, wie gesagt, ich habe schon einmal darauf verwiesen: Ein Blick auf die kommenden Wahlen wäre auch in diesem Zusammenhang hilfreich, wenn es um die Frage der Glaubwürdigkeit geht. Ich möchte dazu ein paar Dinge festhalten im Vorfeld des Gesprächs, von dem Sie ja wissen, dass wir beide es diese Woche miteinander führen werden. Einfach zum Nachdenken für die Österreichische Volkspartei, für ihre Führungsspitze, aber auch für Nehammer. Und ich tue das der Übersichtlichkeit halber wieder in einigen Punkten. 

  1. Die Wähler haben bei der Nationalratswahl insgesamt eine satte Mehrheit von circa 55 Prozent für eine Mitte-Rechts-Koalition, bestehend aus FPÖ und ÖVP, hergestellt. Und zugleich haben sie bei dieser Wahl die Reihenfolge innerhalb dieser Mitte-Rechts-Koalition oder das Kräfteverhältnis innerhalb dieser Mitte-Rechts-Koalition neu geordnet und definiert. Die Freiheitliche Partei liegt vor der Österreichischen Volkspartei. Man könnte es auch so sagen: Es ist in gewisser Weise fast die Umkehrung des Wahlergebnisses von 2017. Und ich glaube, dass die ÖVP uns damals zu Recht ausgelacht hätte, oder vielleicht hätten sie uns auch den Vogel gezeigt, jedenfalls zu Recht, wenn wir als Zweiter damals gesagt hätten: Ja, wir gehen nur in eine Koalition, wenn Sebastian Kurz nicht Kanzler wird, und Gründe hätten sich dafür sofort finden lassen. Das ist nicht das Problem. Wer suchet, der findet. Das gilt auch für diese ganzen Argumentationen. Ich glaube, man hätte sich über uns lustig gemacht und man hätte Recht damit gehabt. Wir haben das aber nicht gemacht. Wir haben einen ganz anderen Weg eingeschlagen. Wir haben uns in Verhandlungen einander angenähert. Das ist das, was wir gemacht haben nach einem harten Wahlkampf. Der ist intensiv geführt worden, da ist es um viel gegangen ist. Und wir haben in diesen Verhandlungen dann Vertrauen aufgebaut. Und am Ende ist eine gute Koalition herausgekommen, eine Koalition, die etwas weitergebracht hat, und eine Koalition, die sehr, sehr beliebt gewesen ist bei der Bevölkerung - bis zu ihrem abrupten Ende. Aber das ist ein anderes Kapitel. Und der erste Punkt. 
     
  2. Nehammer ist der große Verlierer dieser Nationalratswahl. Das kann man jetzt drehen und wenden, wie man will. Das ist das, was am Ende immer übrigbleibt. Man darf ja nicht vergessen, dass Nehammer erst nach dem Abgang von Kurz und dann in weiterer Folge nach dem Abgang von Kurzzeitkanzler Alexander Schallenberg Bundeskanzler geworden ist, ohne sich überhaupt für diese Funktion irgendwann nachweislich einer Wahl gestellt zu haben. Also ein Kanzler ohne Wahl. Und jetzt hat es auch diese Kanzlerwahl gegeben, das war jetzt seine Kanzlerwahl. Er war Spitzenkandidat. Er hat den Kanzler-Anspruch gestellt. Er hat alle Möglichkeiten, die dieses Ressort bietet, im Hintergrund mitbenutzen können in dieser Wahlbewegung. Und er hat trotzdem historisch verloren. Es war ein Absturz, Ein Totalabsturz. Und jetzt herzugehen als nicht gewählter Kanzler aus einer Abwahl abzuleiten, dass man jetzt den Anspruch auf das Kanzleramt auch weiterhin hat, ist gelinde gesagt einigermaßen absurd. Und das ist auch eine grobe Missachtung des demokratischen Wahlergebnisses. Dazu kommt noch das Ergebnis der Vorzugsstimmen. Das bringt nämlich dieselbe Reihenfolge zum Ausdruck wie das Nationalratswahlergebnis. Erster Platz: Herbert Kickl. Zweiter Platz mit einem ordentlichen Respektabstand: Karl Nehammer. Es ist nicht umgekehrt, auch wenn sich manche das vielleicht wünschen. Nein, es ist schon so, und auch das kann man nicht einfach wegdiskutieren.
     
  3. Nehammer muss und wird jetzt mit seinem Handeln und mit seinen Entscheidungen in den kommenden Stunden und Tagen für alle erkennbar folgende zentrale Frage beantworten müssen Was zählt für ihn wirklich? Was zählt für die ÖVP wirklich? Das ist ja ein Offenbarungseid, der jetzt zu leisten ist. Geht es ihm tatsächlich um eine gute Zukunft Österreichs? Geht es ihm und der ÖVP um die Umsetzung der Inhalte, von denen Sie im Wahlkampf gesagt haben, dass Sie Ihnen so wichtig sind? Ich darf Sie nur daran erinnern: Österreichplan bis 2030. Was ist da nicht alles zu tun? Das wurde über viele Monate getrommelt. Stichwort Kampf gegen die illegale Migration, eine Wiederbelebung des Wirtschaftsstandortes, keine neuen Steuern, Entlastungen der Leistungsträger, Heimat und Werte bis hin zu einer generellen Politik der Normalität und des Hausverstands. Das sind die Punkte, die die Wähler mit breiter Mehrheit gewählt haben. Jetzt bin ich wieder bei diesen 55 Prozent. Aber all das geht ja nur in einer Zusammenarbeit mit der Freiheitlichen Partei. Das wird nicht funktionieren mit einer marxistisch infizierten SPÖ. Das funktioniert nicht, das geht nicht zusammen. Noch dazu, wo diese SPÖ hier von einer Vorsitzdebatte in die nächste hinein taumelt. Was soll denn da die inhaltliche Schnittmenge sein, fragt man sich. Es muss ja darum gehen, so viel wie möglich zu bewegen und nicht so wenig wie möglich an Gemeinsamkeiten vorweisen zu können. Es braucht in diesem Land, in dieser schwierigen Situation, zwei Dinge: Stabilität und Stoßkraft. Und beides hat man nur in einer Zweier-Konstellation, in einer Zweier-Konstellation, die über möglichst viele Mandate verfügt und die zugleich möglichst viele inhaltliche Überschneidungen hat. Was bedeutet Stabilität, und was bedeutet Stoßkraft? Oder geht's ihm - und das ist die zweite Möglichkeit - und der ÖVP in Wahrheit gar nicht um diese Inhalte, sondern es geht um die eigene Macht? Es geht um die eigene Position, es geht um den Kanzler, es geht um die Verteidigung von irgendwelchen angemaßten Besitzansprüchen. Ja, aber wenn das so ist, dann hat die ÖVP-Spitze die Wähler auch hier, so wie zum Beispiel auch in der Frage des Zustands des Budgets, belogen. Dann ist vielleicht wirklich die SPÖ mit Andreas Babler der richtige Partner.
     
  4. Ich komme noch einmal auf den Bundespräsidenten zu sprechen. Der hat in seiner Stellungnahme vom letzten Mittwoch die Regierungsfähigkeit der FPÖ und von mir bestätigt. Ja, das hat er getan. Er hat ja schließlich zu Gesprächen aufgefordert. Und das macht ja nur dann Sinn, wenn man diese Regierungsfähigkeit bei allen Gesprächspartnern voraussetzt. Alles andere ist unsinnig. Wäre der Bundespräsident der Meinung, dass ich oder die Freiheitliche Partei nicht in der Lage wären, die Verantwortung einer Regierung für unser Land zu schultern, ja dann hätte er das nicht nur klar aussprechen können, dann hätte er das auch klar aussprechen müssen. Das hat er aber nicht getan. Ich glaube, dass das eine ganz, ganz wesentliche Erkenntnis auch aus den letzten Tagen ist.
     
  5. Ich habe vor der Wahl gesagt: Wer Erster wird, der soll den Anspruch haben, eine Regierung zu bilden und eine Regierung im Falle einer erfolgreichen Regierungsbildung dann logischerweise auch anzuführen. Und für mich war immer klar: Wenn wir nicht Erster sind, dann werden wir auch diesen Anspruch nicht stellen. Das ist für mich als Demokrat eine Selbstverständlichkeit, und die Wähler haben ihre Entscheidung getroffen. Und an nichts anderes als an dieser Wählerentscheidung haben sich die Parteien zu orientieren. Es geht jetzt um die Heimat. Es geht um den Schutz der Bevölkerung. Es geht um Sicherheit, es geht um die Kriminalitätsbekämpfung. Es geht um den Erhalt unserer Identität. Es geht um unsere Freiheit und Souveränität. Es geht um Chancen und Gerechtigkeit. Alles für die österreichische Bevölkerung. Darum geht's. Um etwas anderes geht es nicht. Es geht nicht um persönliche Befindlichkeiten. Es geht nicht um irgendwelche Eitelkeiten. Es geht nicht um Sympathien oder Antipathien. Es geht nicht um irgendwelche Aversionen. Wer einen solchen Zugang wählt, handelt massiv unprofessionell. Für so etwas darf in einer solchen Situation kein Millimeter Platz sein. Und wer das zu seiner Entscheidungsgrundlage macht, der zeigt allein damit, dass er dem Anforderungsprofil eines Bundeskanzlers nicht gerecht wird. Ich akzeptiere das, und ich bin bereit, sozusagen hier auch diesen Schritt zu machen. Nicht, weil es leicht ist. Es ist für mich auch nicht leicht, sondern weil es notwendig ist. Das ist der entscheidende Punkt. Und wenn die anderen Parteien, allen voran die Österreichische Volkspartei, diese Tatsache auch akzeptieren, und wenn sie auch professionell und wenn sie auch demokratisch handeln, dann gibt es auch kein Patt mehr. So einfach ist das. Also ich erwarte mir eine demokratische Grundeinstellung und ein hohes Maß an Professionalität von denjenigen, die mit dem Anspruch, Kanzler zu werden, in diesen Wahlkampf gegangen sind.
     
  6. Nehammer hat nach der Wahl als Ergebnis der Analysen, die die ÖVP angestellt hat, im Zusammenhang mit dem Wahlergebnis erst nach der Wahl gefordert, dass die Freiheitliche Partei und ich den Regierungsbildungsauftrag bekommen sollen. Das hat er gefordert, das können Sie nachlesen, auch in Ihren Archiven. Das ist noch gar nicht lange her. Und diese Forderung Nehammers müssen Sie jetzt kombinieren mit seinem Anspruch darauf, glaubwürdig zu sein. Das ist mir besonders wichtig. Und deswegen gehe ich davon aus, dass sein Wort und seine Aussage aus der ersten Woche nach der Wahl - Stichwort Regierungsfähigkeit - auch heute noch Gültigkeit hat. Ja, es muss auch jetzt noch gelten, wenn er glaubwürdig sein will. Und im Interesse dieser Glaubwürdigkeit können wir dann seinem Wunsch nach einem Regierungsbildungsauftrag für die Freiheitliche Partei gleich nachkommen und dem Bundespräsidenten diesen Vorschlag auch gemeinsam unterbreiten. Dann sind wir in einer Win-Win-Situation. Und ich gehe davon aus, dass sich die ÖVP solchen Verhandlungen auch nicht verschließen würde. Sonst wäre wiederum die Forderung nach einem Regierungsbildungsauftrag an die Freiheitliche Partei sinnlos. Wir gehen davon aus, dass sich die ÖVP solchen Regierungsverhandlungen nicht verweigert. Ich gehe davon aus, dass sie sich mit aller Kraft und mit ihrer ganzen Erfahrung für ihre Themen in solchen Verhandlungen einsetzt und für diese Themen stark macht. Das ist das, was ich erwarte. Und wie heißt es so schön? Beim Reden kommen die Leut´ z´samm.
     
  7. Es hat sich nicht nur Nehammer in die Richtung Regierungsbildungsauftrag für die Freiheitliche Partei geäußert, sondern auch maßgebliche andere Politiker der Österreichischen Volkspartei, eine ganze Reihe von Landespolitikern. Johanna Mikl-Leitner fällt mir da spontan ein. Sie haben alle das Gleiche gesagt. Das heißt, Nehammer hat eine ganz konkrete Rückendeckung von den wesentlichen Proponenten in der eigenen Partei. Und gerade vor Kurzem hat es ja auch ein Treffen von großen Unternehmern aus Oberösterreich und aus Niederösterreich in Linz gegeben. Da waren auch die Landeshauptleute aus Oberösterreich und aus Niederösterreich anwesend, und dort hat der Chef der Oberösterreichischen Industriellenvereinigung, Stefan Pierer, ganz klar gesagt: In der Schweiz bilden die zwei stimmenstärksten Parteien eine Regierung. Dazu braucht es keinen Van der Bellen. Auch ein interessanter Ansatz, ja, jedenfalls eine klare und eine starke Botschaft. Und mir ist nicht zu Ohren gekommen, dass irgendjemand der Anwesenden dort einen Widerspruch getätigt hätte.
     
  8. Nehammer muss als Wahlverlierer jetzt entscheiden: Lebt er staatspolitische Verantwortung und handelt er als einsichtiger, demokratischer Verlierer? Dann gibt er jetzt seine Blockade auf. Dann macht er jetzt den Weg frei für Verhandlungen mit mir, mit der Freiheitlichen Partei. Das ist ja eigentlich ganz einfach. Wann denn, wenn nicht nach einer wirklichen Wahlschlappe, nach einer katastrophalen Wahlniederlage, muss man umdenken. Wann, wenn nicht jetzt, muss man sagen: Das ist jetzt der richtige Zeitpunkt, eine falsche Position aufzugeben. Und er sagt ja immer, dass ihm der Wählerwille so wichtig ist. Genau das hat der Wähler zum Ausdruck gebracht. Einsicht statt Sturheit müsste eigentlich die Devise sein und sich nicht weiter verrennen in einer solchen Strategie, wie man es schon bei Corona durchgezogen hat bis zum Exzess, möchte ich fast sagen. Oder die andere Möglichkeit ist, er verweigert die Anerkennung des Wahlergebnisses. Aber damit verleugnet er natürlich auch die eigenen Inhalte. Und damit setzt er sein Machtstreben und den Kanzlerposten an die erste Stelle. Und dann bastelt er an dieser Verlierer-Koalition. Ja, das ist dann der nächste Akt, möchte ich fast sagen, von experimentellem Regieren. Experimentelles Regieren ist das, was wir jetzt haben, in Form einer Zusammenarbeit von zwei Parteien, die inhaltlich überhaupt nicht zusammenpassen, nämlich Schwarz mit Grün. Und da hat man dann auch gesehen, was herauskommt: das größte Desaster der Zweiten Republik. Offensichtlich will man jetzt weiter experimentell regieren, indem man zwei Parteien, die auch nicht zusammenpassen, miteinander verbindet. Und eine dritte Partei, die auch nicht dazupasst, in dieses Projekt mit einbezieht. 

Meine Damen und Herren! Das ist alles andere als stabil, was man da offensichtlich plant. Ich denke, dass in den nächsten Tagen, in den nächsten Stunden die vernünftigen Kräfte in der ÖVP gefordert sind. Ich möchte es einmal so sagen: Sie dürfen Nehammer jetzt nicht alleine lassen mit seinem emotionalen Ausnahmezustand, sondern sie müssen ihn jetzt stützen. Es geht um die Zukunft Österreichs, und es geht - ich sag das jetzt so, obwohl es mich nicht wirklich etwas angeht - aber es geht natürlich auch um die Zukunft der österreichischen Volkspartei. Stichwort Glaubwürdigkeit. Und ich weiß natürlich, dass es diese vernünftigen Kräfte in der ÖVP gibt. Ich weiß, dass ihnen eine tragfähige Regierung, dass ihnen etwas Stabiles wichtig ist im Interesse Österreichs, im Interesse seiner Wirtschaft, seiner Arbeitsplätze und der Sicherheit der Bevölkerung, ihres Schutzes vor Asylmissbrauch und Völkerwanderung und einer Politik der Normalität und des Hausverstandes. Aber wenn das so ist, dann kann es keine experimentelle Verlierer-Koalition geben. Die beiden Dinge widersprechen einander, deshalb dann kann es nur den Weg mit der Freiheitlichen Partei auf Basis eines breiten gemeinsamen Fundaments geben, auf Basis eines fairen Miteinanders auf Augenhöhe. Das ist staatspolitisch verantwortungsvoll, das ist professionell, und das ist demokratisch. Und dazu bekennen wir uns auch. 

Meine Damen und Herren, Boxer sind zwei Kämpfer. Nehammer ist ein Boxer. Und ein guter Boxer, der muss auch verlieren können. Und was beim Boxen die Punkterichter sind, das sind in der Demokratie die Wähler. Und das Urteil des Kampfes vom 29. September ist klar. Der blaue Herausforderer hat gewonnen. Der schwarze Titelverteidiger hat verloren und muss seinen Gürtel abgeben. Das ist das Ergebnis vom 29. September. Die einzige Chance, sich von dieser Niederlage irgendwie zu rehabilitieren, das ist nicht, indem man die Realität verweigert. Das ist der falsche Weg. Sondern es heißt vielmehr, sich einzuordnen. Oder es gibt dann eben ein Rematch. Das kennt man aus den Boxerfilmen. Aber ich denke, dass Neuwahlen jetzt dasjenige sind, was wir alle vermeiden wollen. Und in diesem Sinne werde ich meine Gespräche diese Woche auch angehen, werde sie weiter am Laufenden halten. Ich habe ohnehin viel zu viel und mehr gesagt als alle Vertreter dieser Parteien oder der Bundespräsident zusammen. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.


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